NEXT 2016

ENAS

Aktuelle Entwicklungen am Fraunhofer ENAS

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Im Mai 2016 verlor das Fraunhofer-Institut für Elektronische Nanosysteme ENAS plötzlich und unerwartet seinen Institutsleiter Prof. Dr. Dr. Prof. h. c. mult. Thomas Geßner. Wie es jetzt weiter geht und welche neuen Projekte das Fraunhofer ENAS plant, erfuhren wir im Interview mit dem kommissarischen Leiter Prof. Dr.-Ing. Prof. h. c. Thomas Otto.


Prof. Dr. Dr. Prof. h. c. mult. Thomas Geßner (Bildquelle: TU Chemnitz/Ulf Dahl)Ehemaliger Institutsleiter Prof. Dr. Dr. Prof. h. c. mult. Thomas Geßner

Das Fraunhofer ENAS verlor in diesem Jahr mit Prof. Geßner viel zu früh seinen Visionär und weltweit angesehenen Wissenschaftler. Wie schwer wiegt dieser Verlust, wer tritt in die großen Fußstapfen von Prof. Geßner und wie geht es mit dem Fraunhofer ENAS weiter?

Prof. Thomas Otto: Thomas Geßner war nicht nur ein Vordenker, sondern konnte Studenten, Mitarbeiter, Politiker, Kooperationspartner aus Wissenschaft und Industrie für neue Themen begeistern. Er wird uns fehlen. Die Lücke ist nur schwer zu schließen. Während des Ehrensymposiums für Prof. Geßner betonten sowohl der Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft Prof. Neugebauer als auch der Dekan der Fakultät Elektrotechnik/Informationstechnik Prof. Mehner, dass die hinterlassene Lücke wahrscheinlich nicht nur mit einer Person gefüllt werden kann.

Wir haben die Strategie des Instituts weiter entwickelt und im September unser Strategieaudit durchgeführt. Um künftig die Aktivitäten des Fraunhofer ENAS zu fokussieren, wurden die Schwerpunkte im Kundenportfolio und der Marktbearbeitung im Rahmen des Strategieprozesses neu definiert.

Geschäftsfelder des Fraunhofer ENASGeschäftsfelder des Fraunhofer ENAS

Die Geschäftsfelder „Micro and Nano Electronics“ und „Sensor and Actuator Systems“ bedienen mit ihren Dienstleistungen beide die jeweilige Branche. Die Entwicklungen gehen bis zum Komponenten- bzw. Subsystemlevel. Diese beiden Geschäftsfelder sind technologisch orientierte Querschnittsfelder. Sie entwickeln damit auch Komponenten und Subsysteme, die in den anwendungsorientierten Geschäftsfeldern „Smart Mobility and Power“, „Smart Medical Systems“ und „Smart Production“ weiter applikationsgetrieben zu einem Gesamtsystem (Prototyp, Kleinstserie) entwickelt werden. Als ein derartiges Beispiel sind die im GF „Sensor and Actuator Systems“ entwickelten Neigungssensoren, die im Geschäftsfeld „Smart Mobility and Power“ in den Powerlinemonitoringsystemen integriert sind.

Eine besondere Stärke des Fraunhofer ENAS liegt im breiten Spektrum an Technologien und Methoden für die Smart Systems Integration begründet. Während das Fraunhofer ENAS über die Geschäftsfelder und Abteilungen in Richtung Kunde agiert, stellt die Aufteilung in die acht Kernkompetenzen die innere Struktur des Technologieportfolios dar.

Die vier Kernkompetenzen „MEMS Technologies“, „Printing Technologies“, „Fluidic Integration Technologies“ und „Nano Integration Technologies“ stellen die technologische Basis für die Entwicklung einzelner Komponenten bereit. „Interconnect Technologies“ und „MEMS Packaging and 3D Integration“ sind Querschnittstechnologien. Sie wechselwirken sowohl mit verschiedenen Basistechnologien als auch mit den übergreifenden unterstützenden Kernkompetenzen „Design and Test of Components and Systems“ sowie „Reliability of Components and Systems“.

Kernkompetenzen des Fraunhofer ENASKernkompetenzen des Fraunhofer ENAS

Mit dieser Definition der Kernkompetenzen sind die im Audit 2010 definierten Kernkompetenzen geschärft und weiter entwickelt worden. Neu ist die Kernkompetenz „Nano Integration Technologies“. Sie trägt den verschiedenen Aspekten der Integration von Nanomaterialien und neuen Nanotechnologien Rechnung. Als wesentlicher Aspekt wurde die Entwicklung von kompletten Systemen inklusive Software erkannt.

Das Fraunhofer ENAS ist eines der wichtigsten Forschungszentren für den immer bedeutender und größer werdenden Bereich der Medizintechnik. Was erwartet die Welt in den kommenden Jahren in diesem Bereich und wie entscheidend werden das Fraunhofer ENAS, Dresden und Sachsen diese Entwicklungen prägen können?

Prof. Thomas Otto: Das Geschäftsfeld „Smart Medical Systems“ ist eines der drei anwendungsorientierten.

Der Fokus unserer Entwicklungen liegt auf dem technischen bzw. technologischen Aspekt, insbesondere auf der Nutzung von Mikro- und Nanotechnologien für einen Einsatz in der Medizintechnik. Wir selbst verfügen nicht über die medizinische Kompetenz und kooperieren dazu mit Partnern, Beratern und externen Experten.

Auf Basis der bisherigen und zukünftigen Aktivitäten haben wir drei Themenfelder definiert, in welche die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten eingeordnet werden können:

  • Implantate
  • Medizingeräte
  • Messtechnik/Analytik
Medizintechnik von morgen: Telemedizin (Bildquelle: KatarzynaBialasiewicz - iStock.com)Medizintechnik von morgen: Telemedizin

Die Medizintechnik und deren Möglichkeiten gelten als große Hoffnung für einen zunehmend mit Personalsorgen konfrontierten Gesundheitsbereich. Wie wird die Medizintechnik von morgen, die zahlreichen Probleme von heute lösen können? Wird die Technik die menschliche Pflege nur ergänzen oder perspektivisch sogar ersetzen müssen?

Prof. Thomas Otto: Die Medizintechnik von morgen kann sicher nur einen Teil der Probleme lösen. So werden wir z. B. schneller Laborergebnisse erhalten. Roboter können uns im Alltag unterstützen. Stürze werden detektiert werden. Telemedizin wird im Alltag verfügbar sein. Derartige Systeme sind derzeit in der Entwicklung bzw. im Test.

So fördern die Europäische Union (EU) und der Freistaat Sachsen das Projekt „CCS Telehealth Ostsachsen“ zur medizinischen Versorgung infrastrukturell schwacher Regionen. Um den Herausforderungen einer alternden Gesellschaft und dem Fachkräftemangel in Gesundheitsfachberufen zu begegnen, wird hier die Entwicklung einer IT-Plattform gefördert. Über diese Infrastruktur sollen künftig telemedizinische Dienstleistungen aus verschiedensten medizinischen Fachgebieten erbracht werden.

Diese Systeme werden uns in Zukunft beim Monitoring von Infarktpatienten oder chronisch Erkrankten unterstützen, jedoch nicht die menschliche Pflege und Kommunikation ersetzen.

Woran arbeitet das Fraunhofer ENAS aktuell?

Prof. Thomas Otto: Wir arbeiten weiter in Richtung intelligente Systeme, d. h. der Verbindung von Elektronikkomponenten, Mikro- und Nanosensoren sowie -aktoren mit Schnittstellen zur Kommunikation und einer autarken Energieversorgung. Die Systeme sind zunehmend mit der Fähigkeit ausgestattet, sich gegenseitig anzusprechen, zu identifizieren und in Konsortien zu arbeiten. Sie bilden somit die Basis für das Internet of Things.

Darüber hinaus haben wir eine Reihe zukunftssichernder Maßnahmen definiert, die wir konsequent umsetzen werden.

Unser Interviewpartner

Prof. Dr.-Ing. Prof. h. c. Thomas Otto

Prof. Dr.-Ing. Prof. h. c. Thomas Otto
kommissarischer Institutsleiter

Fraunhofer-Institut für Elektronische Nanosysteme ENAS

Technologie-Campus 3
09126 Chemnitz

Tel.: +49 371 45001-100
Fax: +49 371 45001-332


Prof. Thomas Geßner

Nachruf auf einen sächsischen Visionär - Prof. Thomas Geßner

Professor Dr. Dr. Prof. h. c. mult. Thomas Geßner ist am 25. Mai 2016 im Alter von 61 Jahren plötzlich und unerwartet in Tokio gestorben. Der Physiker war Inhaber des Lehrstuhls für Mikrotechnologie an der Technischen Universität (TU) Chemnitz und Leiter des Zentrums für Mikrotechnologien (ZfM) der Hochschule. Er leitete zudem das Fraunhofer-Institut für Elektronische Nanosysteme ENAS. Professor Thomas Geßner war Gründungsmitglied des Silicon Saxony e. V. und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates des Branchenverbandes.

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